Und hier geht's zum Figurenland - Seiffen - Blog

Donnerstag, 20. September 2018

Im Heimathafen - nach der Reise gern Norden

"Willkommen zurück, schön das sie da sind. Darf sie an Bord begleiten." So stand ich vor ein paar Tagen am Hamburger Pier und habe mich gefragt wo die Zeit geblieben ist. Ich bin jetzt schon fast 4 Monate hier, vier ganze Monate und habe kaum die Zeit gefunden etwas zu schreiben. Mein Freund hat mich in der Zwischenzeit besucht, der Abschied war schlimmer denn je. Es sind zwei völlig getrennte Welten das Schiff und das da draußen. Man bekommt nichts mit von Politik und Nachrichten. Das Schiff ist unser kleines Universum. 
Wir hatten jetzt einen riesigen Crewwechsel und ich bin nun definitiv die "alte", ob das gut geht weiß ich nicht...aber nicht nur die Crew hat sich verändert, sondern auch mein Arbeitsplatz. Ich habe das Restaurant gewechselt und damit kommen wieder neue Herausforderungen auf mich zu. Egal wie hektisch es ist, man muss immer Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen. Langsam laufen und freundlich sein, auch wenn man innerlich das Wasser anfleht endlich schneller aus der Flasche zu laufen, da man um sich herum die 1000 anderen Aufgaben sieht. Es ist jeden Abend voll, ich bin schon weit mehr als einmal untergegangen und trotzdem macht mir diese Arbeit immer noch Spaß. Dazwischen wechseln sich gefürchtete Einsamkeit und fantastisches Beisammensein ab. Man geht hier so schnell verloren. Die Menschen um einen herum kommen und gehen. 
Gerade befinden wir uns im Norden der Erde. Sind also über Norwegen bis nach Spitzbergen gefahren. Ihr glaubt nicht wie unendlich schön die Landschaft hier ist. Ich habe die letzten Tage die See stürmisch wie nie erlebt und zwei Stunden später war das Meer so unwirklich glatt das man dachte man blicke auf einen Spiegel. Dazu diese seltsam langgezogenen weißen Wolken. Wie in einer Traumwelt und das Schiff geleitet dahin. Auf der letzten Reise konnte ich Wale beobachten. Sie treten hier in ganzen Familien auf. Wenn sie ihre glänzenden, riesigen Körper aus dem Wasser heben vergisst man alle Strapazen. 
Und davon gab es genug. Ich habe mich in Hamburg erkältet und leide etwas unter Halsschmerzen, Husten und Schnupfen. Als es dann Raffsea gab hat es mich tatsächlich während der Arbeit im Crewbereich ausgeräumt. Es war furchtbar. Also falls ihr zur See fahren wollt. Frühstücken nicht vergessen, das beugt der Übelkeit vor. ;) 
Walknochen auf Jan Mayen
Wir hatte das große Glück noch einmal an Jan Mayen ankern zu können. Einer kleinen Insel mitten im kalten Meer nördlich von Island. Und was für eine Insel. Wir lagen in der Walbucht und tatsächlich war der Strand übersäht mit Walknochen und alten Schiffsteilen. Der Sand dieser Insel ist ganz fein und Schwarz...Vulkangestein. Dazu kam dieser mystische Nebel und die giftgrünen Flechten die die Berge wie Algen überzogen. Es war ein beeindruckender Anblick. Auch Island am Tag zuvor hatte seinen ganz eigenen Charme. Leider hatten wir nur 2h zum heraus gehen. Aber die konnten wir mit einer Kirchenbesichtigung, Shoppingtour und einem großen Teller Fish and Chips gut nutzen. 

Spitzbergen - das nördlichste Postamt der Welt


Polartag

Warm eingepackt für die Reise gern Norden



Mittwoch, 4. Juli 2018

Das Lied von Wind und Welle, the storm is coming.

Als ich den kleingedruckten Namen unseres nächsten Zielortes auf dem Tagesprogramm entdecke, hätte mein Herz am liebsten einen Luftsprung gemacht. Als der Tender dann endlich von unserer Diva ablegte und auf die majestätischen Mauern Dubrovniks zusteuerte, hätte ich mich am liebsten selbst in die Lüfte erhoben und wäre wie Viserion über die Mauern nach Kingslanding geflogen. Wie einst die alten Könige legten wir an die Klippen an und eroberten das fremde Land von Westeros. Wer jetzt noch nicht weiß wo von hier eigentlich die Rede ist, gehört sicher nicht zu den "Game of Thrones" Fans. Ich selbst finde diese Serie tatsächlich wahnsinnig gut und war hoch erfreut einen der originalen Drehorte besuchen zu können. Dubrovnik wurde ab der 2.Staffel als Schaustätte für die Hauptstadt Königsmund oder Kingslanding benutzt und wenn man durch die schmalen aber himmelhohen Gassen schreitet, versteht man auch sofort warum. Die Gebäude, die Tore, selbst die Straße spiegelt den Charakter der Serie wieder. Wäre in nächsten Moment ein Dothraki um die Ecke geritten, es hätte mich nicht gewundert.
Mit einem Taxi sind wir auf den Gipfel des Berges gefahren, an dessen Fuß sich diese königliche Stadt niedergelassen hat und der Ausblick war unglaublich. Unter uns die historischen Festungsanlagen und im Wasser davor unsere Diva. Wie immer war unsere Ausflugszeit zu kurz und wie immer mussten wir in windeseile einen Magneten kaufen und zum Tender zurück rennen. Auch wenn ich beschlossen hatte keinen sinnlosen Spittel zu kaufen, bin ich durch den ersten geschenkten Magneten nun fast gezwungen diesem Trend Folge zu leisten. In jeder Stadt, in der ich das Schiff verlassen kann, kaufe ich nun einen Magnet und hänge ihn an meine Kabinenwand - schon praktisch so ein magnetisches Schiff. Abgesehen von den Wänden und einigen Hinweisschildern für Rettungswesten und Tenderboote merkt man eigentlich nicht das man sich auf einem Schiff befindet. 
Nur selten zeigt der Wellengang Wirkung und dann denke ich in der ersten Millisekunde, dass die Erde bebt. Das einzige Mal, dass ich wirklich gespürt habe, wie wenig Boden wir unter den Füßen haben, war an einem Nachmittag beim Pooldienst.
Eigentlich ist das einer der entspanntesten Jobs, die man an Bord begleiten kann. Man serviert Getränke, ist nett und freundlich und macht die Gäste Stressfrei glücklich. Doch dann kam auf einmal unser Hauptsteward und meinte: „Leute packt die Sachen zusammen, da kommt eine schwarze Wand.“ Und da war sie, die Regenfront. Sofort haben wir begonnen das Sonnendeck abzubauen. Vorallem die Schirme stellen im Wind ein Risiko dar und mussten sofort verräumt werden. Keiner der Gäste konnte verstehen was wir hier eigentlich tun und wir stießen auf einiges Unverständnis über die plötzliche Störung. Über uns stand ja noch der blaue Himmel mit strahlender Sonne. Als dann auch unser Hotelmanager und Maitre auftauchte und zur Eile antrieben war das Ganze irgendwie nicht mehr witzig. Ein Schiff für einen Sturm zu rüsten und sei es nur diese kleine Gewitterfront, fühlt sich irgendwie bedrohlich an. Als die ersten Tropfen fielen, verstanden auch langsam die Gäste, dass es ungemütlich werden könnte und suchten sich einen trockenen Platz. Wir suchten Zeit, ein paar Minuten mehr um alles ins Trockene zu bringen. Dank der routinierten Vorgehensweise meiner Kollegen schafften wir es tatsächlich rechtzeitig. Die Krönung der gesamten Aufregung war eine kleine Windhose über dem Meer, so etwas habe ich noch nie gesehen.       

Freitag, 15. Juni 2018

Eine Nacht in Venezia

Die erste Reise liegt hinter mir und wir begrüßen Venedig mit Champagner und Musik... also die Gäste. Wir stehen im Hintergrund und beobachten in stiller Vorfreude die sich auftuende Stadt mit all ihren Türmen und Gassen. 
Leider konnte ich den ersten Tag unserer Overnight durch meinen Dienst nicht nutzen, also bin ich mit einigen anderen am späten Abend losgezogen. Ich habe das Gefühl unter dieser kleinen Truppe Freunde finden zu können, Anschluss zu finden. Die Einsamkeit macht mich schier wahnsinnig. Ich vermisse die tiefgreifenden Gespräche mit meinen Schwestern und eine ehrliche, tröstende Umarmung. 
Wir haben lange gesucht, bis wir tatsächlich eine "Wasserbushaltestelle" gefunden hatten. Der Fährmann hat uns ersteinmal so durch die Absperrung gewunken und uns am Ende 48€ abgeknöpft... naja ...Venedig. Dafür konnten wir einen grandiosen Blick vom Kanale Grande über die nächtlich beleuchtete Altstadt genießen. Bis hin zu Rialto Brücke, auf die ich am liebsten geklettert wäre, um die darauf versteckte Feder einzusammeln😋. Der Anblick war so verträumt. Wir sind dann durch das unendliche Gewirr der Gassen gewandert um uns auf einem menschenleeren Markusplatz wieder zu finden. Nur wir und der Mond über Venedig. Leider hieß das auch, keine Bar, keine Gaststätte, nicht einmal ein Imbiss und dabei hatten wir alle 12h Arbeit und nur eine Mahlzeit hinter uns. Also sind wir auf die Suche gegangen. Gegen 1.30 Uhr haben wir eine kleine erleuchtete Auslage mit Pizza gefunden. Allerdings bereits vergittert und geschlossen. Durch ein vergittertes Fenster sind wir schließlich zu unserer Pizza und Sprite gekommen, zum Glück war der Mann so freundlichen.  Zufrieden, satt und glücklich ging es dann zurück zu unserer Diva. Geschmückt im Hafenbecken war sie nicht zu übersehen. 


Mittwoch, 13. Juni 2018

Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Als ich heute früh aufgewacht bin, war ich wirklich traurig, dass die Nacht zu Ende war. Gestern habe ich meine erste Crewparty erlebt und wer von euch schon einmal auf einem Schiff gewesen ist, weiß die Partys haben es schon in sich. Auch wenn ich mich grundsätzlich von Alkohol fernhalte. 
Umso schöner war es das Frühstück und Lunch zum erstenmal so richtig funktioniert haben. Alle Sachen waren da, wo ich sie gesucht habe und auf die meisten Fragen gab es sofort eine Antwort in meinem Kopf.  Und wie das immer so ist, wenn man etwas kann, wird man zum Nächsten geschickt. In meinem Fall war das heute der Poolbereich, welcher mit gemischten Tablets mit Slushis, Säften, Eistee, Melone und Kaltschalen versorgt werden musste. Also belud ich mein "Trail" mit besagten Getränken und trat hinaus auf die Deckaußenseite...und da war es...das offene, weite, unendliche Meer. Nichts als Wasser. Die letzten Tage hatten wir Tagüber immer vor Anker gelegen. Irgendwo in einem Hafen oder einer Bucht, aber nun konnte sich die Schönheit dieses blauen Giganten komplett entfalten. Dieser Anblick, wie wir leise und fast zährtlich durch das Wasser pflügen, war so unwirklich. Ich kann mich kaum an diesem Anblick satt sehen, alles erscheint surreal, ich kann nicht glauben was ich sehe und fühle und schmecken.
Der Abend sollte noch faszienerender werden. Wie gewohnt war ich 20 Minuten vor Dienstbeginn im "Weltmeere" um meine Station vorzubereiten. Als mir verkündet wurde dass heute der Käpten mit den 6 wichtigsten Gästen an Bord bei uns essen würde und ausgerechnet ich ihn betreuen soll. Die Nervosität stieg ins Unermessliche, je näher das Eintreffen der Gesellschaft rückte. Glücklicherweise war mein Chef de Rang an meiner Seite. Sie ist eine taffe und rundum positive Frau. Mit der Anweisung, dass alles gut laufen müsste, machten wir uns ans Werk. Natürlich waren gleich zu Beginn die falschen Gläser eingedeckt und die 3 Liter Weinflaschen waren ziemlich hässlich. Glücklicherweise waren all unsere Gäste Die lieb und nachsichtig. Am Ende scheinen sie und der Käpten zufrieden gewesen zu sein. Was für ein Glück. 

Zum Schluss ging es an diesem Tag noch in das Theater. Zu einer wirklich fantastischen Show. Manche Menschen scheinen das Wort anmutig neu erfunden zu haben. Die Musik war verzaubert und die Künstler, mit Reifen, Bändern und ihrem Körper eindrucksvoll. Eine Show in diesem Stil durfte ich noch nie sehen. 

Sonntag, 10. Juni 2018

Wunde Füße und Santorin

Man wollte ja nicht auf die Anderen hören und selbet seine Schuhe aussuchen. Das habe ich nun davon. Die 300 Meter vom Restaurant bis zu meiner Kabine erscheinen mir endlos. Alles tut weh. Vom Rücken, über die Knie, bis hin zu meinen Füßen und die hat es richtig erwischt. Leider war ich nicht so schlau meine Schuhe einzulaufen und nun haben sich beide meiner Versen wund gescheuert. Die Zehen sind angeschwollen und die Seiten blutig. Ich trage jetzt jeden Tag Creme auf und versuche mit Pflastern meine Füße zu schützen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Meine Schwester schrieb mir liebevoll: "Die sehen aus wie Tänzerfüße." Also ihr lieben Tänzer, um eure Füße beneide ich eich wirklich nicht. 

Unterdessen hatten wir einen neuen Hafen erreicht. Dunkle Steilhänge ragen aus einem türkisfarbenem Meer. Auf ihnen trohnt stolz eine schneeweiße Schönheit. Sie streckt ihre Fühler zu allen Seiten. Strahlt in ihrer klaren Pracht heller als die Sonne und verzaubert jeden Betrachter. Santorin, die weiße Stadt am Meer. Der Wind kann die flierende Hitze kaum erweichen, so freuen wir uns über den Schatten den uns das Dach des Tenderbootes bietet, als wir zur Küste übersetzten. Ich bin noch nie getendert und es war spannend. Als wir um eine kleine Felsecke bogen kam ein fast schon winziger Hafen in Sicht. 
Dahinter erhob sich eine in den Stein gearbeitet Treppe hinauf zu den weißen Häusern. Bunt geschmückte Esel warteten auf uns. Aus Zeitgründen konnten wir dieses Angebot jedoch nicht nutzen und haben uns für die Seilbahn entschieden. Mit ihr waren wir in wenigen Minuten in der griechischen Schönheit. Der Ausblick war phänomenal, die kleinen Gassen der Stadt wirklich urig. Allein das Bummeln durch diese Stadt war die stressige Arbeit an Bord wert. Den perfekten Abschluss unseres kleinen Ausfluges bildete ein Besuch in einem wirklich griechischem Restaurant und eine Apfelschorle mit Kohlensäure, oh wir ich das vermisst hatte. 


Donnerstag, 7. Juni 2018

Herzlich Willkommen an Bord



Letztes Frühstück auf dem Festland
Man vergisst zu leicht das man sich auf einem Schiff befindet, bis der Boden unter einem plötzlich zu schwanken beginnt. In den ersten Sekunden bereitet dieses Gefühl einem schon Herzflatern. 
 
 
 
 
 
 
 
Ich bin nun seit fünf Tagen mit der MS Europa 2 unterwegs und Vieles ist anders als ich es mir vorgestellt habe. Schon jetzt vergesse ich, welcher Wochentag gerade ist - ganz zu schweigen vom Datum. Die Arbeit an sich macht Spaß und die meisten Kollegen sind wirklich freundlich und hilfsbereit. Aber auch wenn man es tausendmal gehört hat, kann man sich nicht vorstellen, wie hart die Arbeit hier ist. Von früh bis spät auf den Füßen zu sein - immer freundlich, immer akkurat, immer konzentriert auf 100%. 
In diesen 5 Tagen haben wir bereits einige der schönsten griechischen Städte besucht. Rhodos und die weißen Häuser an den Klippen von Santorin. Heute ging es nach Kreta und hier sitze ich nun auf Deck 11, bei 28°C und schaue auf die Dächer von Agios Nikolaas. 
 
 

Mittwoch, 4. April 2018

Blick in die Ferne - Teil 6

Freitag stand dann die große Prüfung auf dem Plan. Im Endeffekt kann ich nur sagen, wenn ihr sie mal schreiben müsst, macht euch nicht verrückt. Trotz englischer Sprache war es gut zu meistern, wenn man die Woche halbwegs aufmerksam war.

Als Belohnung gab es dann eine Fahrt mit dem Freifallboot: Ein Rettungsboot mit spitz zulaufendem Bug. Für unsere „Spaßfahrt“ ging es im freiem Fall aus ca. 7m ins Wasser. In Wirklichkeit findet man diese Installationen nur auf Bohrinseln, aber dann in 40-50m Höhe. Sie sind die letzte Instanz sein Leben zu retten bevor die Plattform explodiert. Aus dieser Höhe sind Knochenbrüche dann vorprogrammiert. Für uns war es die erste richtige Begegnung mit dem Wellengang. Der Tag war unheimlich stürmisch und Thilo überlegte, ob er das Boot überhaupt wieder aus dem Wasser bekommen würde. Aber uns zu liebe durften wir es testen. Man sitzt in einer erstaunlich steilen Schräglage mit dem Rücken zum Abgrund im geschlossenen Boot. Keine Fenster. Abgesehen von dem für den Steuermann, der erhöht mit Blick in die andere Richtung sitzt. Ich konnte sehen, wie Sebastian vor mir bebte. Höhenangst. Mir selber schlug das Herz bis zum Hals. Ein wenig vor Aufregung, aber vor allem wegen der Vorfreude und ich wurde nicht enttäuscht. Das Gefühl, wenn die Motoren starten, das Klicken der Halterung, der kleine Ruck, Millisekunden bevor wir die Schiene hinab rasen und fallen. Der Aufschlag warf unsere Köpfe nach hinten, trotz dieser geringen Höhe. Und dann wurde es erst richtig lustig. 
Die See war stürmisch und sobald Thilo seinen Platz verließ, um die Tür zu öffnen und die Leinen fertig zu machen, fehlte dem Boot der Antrieb nach vorn. Sofort legte es sich mit der Seite zu den Wellen und es schwankte. Nicht nur ein bisschen. Ein unregelmäßiges auf und ab. Einige von uns bekamen einen leichten Grünstich um die Nase. Zum Glück bin ich das Achterbahnfahren gewohnt und habe einen stabilen Magen. Als wir dann wieder sicher an Land standen galt es, das Boot zurück auf die Schiene über unseren Köpfen zu bringen. Das gute Stück wiegt einige Tonnen und musste irgendwie mit dem Heck zum Land ausgerichtet werden. Die darauf folgende halbe Stunde war die beeindruckendste der ganzen Wochen. Thilo, Garry, Swantje und ein weiterer Mitarbeiter des AfZ Ausbildungszentrum haben unglaublich konzentriert Hand in Hand gearbeitet. Trotz der Tatsache, dass Swantje gerade die erste Woche zum Team gehörte, wusste sie, was jedes Handzeichen bedeutete und was zu tun war. Ein perfektes Team. Und dank zwei langer Taue zum Ausrichten in der Luft durften wir Teil davon sein. Es war mir eine Ehre. Gemeinsam etwas zu bewegen und zu erreichen ist ein wunderbares Gefühl. Und dann habe ich natürlich die körperliche Arbeit vermisst, so lange sitzen liegt mir nicht.

Jetzt ist Samstag und ich habe ein interessantes Erste-Hilfe-Training hinter mir. Gut, alles mal aufzufrischen und neues zu lernen. Hoffentlich kann ich im Zug etwas schlafen, der Wellengang auf dem Hausboot war nicht ganz ohne und das Klatschen des Wassers in Kopfhöhe nur 2m entfernt waren etwas beängstigend. Und doch kann ich absolut sagen: Diese Woche hat mir gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war, diesen Weg einzuschlagen. Ich fühle mich nun vorbereitet und kann es kaum erwarten, an Bord zu gehen.
Liebe MS Europa 2, ich komme. 


Dienstag, 3. April 2018

Blick in die Ferne - Teil 5

Der Donnerstag wurde am Vormittag von dem Thema Piraterie und Terrorismus bestimmt. In der praktischen Übung ging es dann noch einmal um das Feuer.

 
Als fünfer Team eingeteilt betraten wir einen Raum, der eher an ein kolumbianisches Gefängnis als einen Ausbildungsraum erinnerte. Zum einen herrschten gefühlte 40°C, was Maria mehr als freute und zum anderen dominierte ein riesiger Gitterkäfig die Fläche. Er erstreckte sich nach allen vier Seiten und erhob sich bis zur Decke. Dazwischen war er von zwei Böden und einigen Gitterquerwänden unterteilt, sodass schmale Gänge auf drei Etagen entstanden. Ihr könnt euch das Ganze wie eines dieser Kinder-Spielparadiese vorstellen, mit Gängen und Hindernissen, welche es zu überwinden gilt, um den Ausgang zu finden. Leider hatten die Etagen gerade eine Höhe von ca. 1m, sodass wir uns grundsätzlich nur auf Knien, manchmal robbend, fortbewegen konnten. Thilo drückte uns grinsend einen Dummy in die schwitzigen Hände und erklärte uns: „Dies ist euer ohnmächtiger Kapitän. Bringt ihn heil und natürlich stets mit dem Kopf nach oben durch die Gefahrenzone.“ 

Nach den ersten zwei Metern im Tunnel ging das Licht aus. Maria als unser Gruppenleiter hatte eine Taschenlampe und den Weg voraus. Sebastian und ich kümmerten uns um den Kapitän. Richard hatte mit seinen 2m Körpergröße genug zu tun und Lisa bildete den Schluss, um alle zusammen zu halten und die „Türen“ wieder zu schließen. So weit so gut. Das wirkliche Problem kam eine Rampe, zwei Halbwände zum drüber klettern und eine Eisenluke in die zweite Etage später. Rauch und ohrenbetäubender Lärm. Am Anfang war es noch Musik, welche motivierte. Später kann ich es nicht genau sagen. Das rote Schummerlicht und die Heizstrahler machten die Szenerie komplett. Willkommen in der Feuerkatastrophe. Ich spürte, wie der Schweiß mir über Arme und Rücken lief. Wie der Disconebel meine Lunge besetzte. Gemeinsam mit Sebastian versuchte ich, unseren Kapitän zu retten. Ihn vorsichtig aber so zügig wie möglich durch diesen Albtraum zu bringen. Wir robbten durch schmalen Röhren, versuchten die anderen schreiend und hustend vor einer schwingenden Doppeltür zu warnen und konnten unsere Hand vor Augen nicht sehen. Da wäre die Nichtrostende Doppelton-Signalpfeife sicher hilfreich gewesen. Ja, die Helme hatte Thilo nicht ohne Grund verteilt. Nach diesem Abenteuer folgte ein sehr nachdenkenswerter Film über Selbstmord und Brandstiftung auf Schiffen. Ist das Leben an Bord wirklich so belastend? 

Den Abend ließen wir mit Lernen und gemeinsamem Grillen auf dem Hausboot ausklingen. Es ist gut, Menschen zu haben, die deine Interessen teilen. Einige von den Jungs waren bereits gereifte Seeleute. Sie arbeiteten auf großen Tankern, fuhren für Seawatch oder waren Fischer mit eigenen Booten. Diese Erfahrungen, die sie mit uns teilten, steigerten die Vorfreude auf das Kommende noch mehr.

Montag, 2. April 2018

Blick in die Ferne - Teil 4

Der Mittwoch spezialisierte sich auf die Hochseetauglichkeitsuntersuchung beim Arzt und die Evakuierung und Leitung von Menschenmassen. Als erstes durfte das „Marine Evacuation System“ ausprobiert werden. Eine Art Bauschuttröhre für Menschen. Durch Körperspannung und seine ausgestreckten Arme kann man langsam durch einen inneren Stoffschlauch hinab rutschen. Ein wirklich spannendes Gefühl. So ist es möglich, Menschen auch über eine größere Höhe sicher nach unten zu bringen, ohne dass sich jemand verletzt. Damit allerdings jeder weiß, zu welchem Schlauch oder Rettungsboot er muss, gibt es zu Beginn jeder Reise einen Drill: Eine Notschutzübung für den Ernstfall. Dieser Ablauf wird dann vom „General Emergency Alarm“; sieben mal kurz, einmal lang angekündigt. Jeder Passagier wird auf seiner Kabine eine Rettungsweste finden, welche er anlegen muss. Ein Team von Crewmitgliedern wird jede Kabine, jedes Restaurant, jede noch so kleine Kammer einzeln öffnen und nach Menschen durchsuchen. Keiner wird vergessen. An den Treppenhäusern und Türen wird weiteres Personal stehen und den richtigen Weg zu den Musterstationen zeigen. Gemeint ist damit eigentlich nichts anderes als eine von mehreren Sammelstationen. Je nach Größe des Schiffes kann die Passagierzahl unterschiedlich sein.
Jeder kann den Namen seiner Musterstation auf seiner Rettungsweste und den Fluchtplänen finden. Von dort aus muss man einfach ruhig bleiben. Dem Personal zuhören und tun, was einem gesagt wird. Dafür wurden wir trainiert. Ziemlich sicher werde ich die ersten Wochen an Bord noch nicht alles wissen und die Vorstellung, dass das Leben dieser Menschen in meiner Hand liegen könnte, macht mir Angst, aber der Großteil der Crew ist alteingesessen und routiniert in diesen Übungen. Vertraut also darauf was gesagt wird. Wir wissen, was wir tun.

Durch Melina hatten Maria und ich die letzten Abende bereits etwas Anschluss zu den anderen Gästen auf dem Hausboot gefunden und an diesem luden sie uns ein, mit ihnen feiern zu gehen. Als anerkannter Musik- und Tanzfanatiker kam eine Absage natürlich nicht in Frage und da ich mit Maria eine Mitstreiterin für meinen alkoholfreien Lebensstil gefunden hatte, versprach es ein toller Abend zu werden. Wir besuchten einen kleinen Studenten Club in Rostock und auch, wenn der DJ keine Ahnung von seinem Handwerk hatte, machten wir die Tanzfläche unsicher. Ein kluger Mensch sagte einmal: „Du kennst einen Menschen erst wenn du mit ihm tanzt.“ Und da ist was dran. Ich hoffe, auf dem Schiff genauso schnell Anschluss zu finden, wie in dieser Woche.
  

Sonntag, 1. April 2018

Blick in die Ferne - Teil 3

Am Dienstag stand das Gegenteil im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit, das Wasser. In dieses durfte dann auch abgetaucht werden. Zuerst lernten wir allerdings alle Arten von Rettungsmitteln kennen, verschiedene Boote, Reifen und Westen. Nicht jede Schwimmweste ist auch eine anerkannte Rettungsweste. Eine Grundvoraussetzung ist zum Beispiel die Nichtrostende Doppelton-Signalpfeife oder wovon im Englischen gesprochen wird: „whistle“. Ich hoffe für euch, dass ihr auch mal die Gelegenheit bekommt, so einen Nachmittag wie diesen zu erleben. Unsere Ausrüstung bestand aus einer verpackten Rettungsinsel, zwei Rudern und je einem Immersion Suit. Ein 6mm dicker Neoprenanzug mit integrierter Rettungsweste, Kapuze und geschlossen Fuß- und Handteilen. Ach ja... und in leuchtend orange. Für die Farbe sollten wir im gut befahrenen Hafenbecken dann auch sehr dankbar sein. Es war wirklich anstrengend, in diesem Anzug zu schwimmen und Figuren zu bilden, die Rettungsinsel zu entern und mit ihr zurück zum Ufer zu paddeln. Wir haben alle einiges an Wasser geschluckt. Der Teamgeist war jedoch wirklich großartig: Mit „My Bonnie is over the ocean“ auf den Lippen ging es dann zurück an Land. Unsere letzte Herausforderung bildete der Sprung von der Hafenmauer ins Wasser und davor hatte ich wirklich Angst. Höhe macht mir nichts aus und Adrenalin erst recht nicht. Aber den Kopf unter Wasser zu haben. Nicht Atmen zu können, orientierungslos zu sein. Das ist einfach eine Situation, die ich in einem früheren Urlaub bereits kennengelernt habe und auf die ich wirklich verzichten kann. Also stand ich mit zitternden Knien an einen Pfeiler gedrängt und habe zu gesehen, wie einer nach dem anderen den Abgang gemacht hat. Scheiße. Am liebsten hätte ich geweint.
Swantje, unsere zweite Lehrerin hat glücklicherweise meinen Zustand bemerkt und mir gut zugeredet, mich motiviert und alle lebendig im Wasser zu sehen sprach ja für sich. Also habe ich es versucht. Es gibt einen Punkt, an dem das Adrenalin den Kopf besiegt, ein kurzes Fenster in dem man weiß, dass der Körper bereit ist etwas zu tun wozu er sonst nicht in der Lage wäre. Und dieses Fenster gilt es zu finden und zu nutzen. Der Moment in der Luft war großartig und der Moment vom Aufprall bis zum Auftauchen so kurz, dass ich ihn kaum bemerkt habe. Nicht zu vergleichen mit dem Sprung von damals. Am Ende war ich richtig happy über diesen gelungenen Tag.




 


Samstag, 31. März 2018

Blick in die Ferne - Teil 2

Mein Kopf tat weh, die Deutsche Bahn hatte auf den rund 500km mal wieder ganze Arbeit geleistet. Müde strich ich mir das verschwitzte Haar aus der Stirn und suchte nach Orientierung. Wo war jetzt dieses Zentrum? Ungeduldig wartete ich auf den vertrauten blauen Punkt meines GPS Signals und scannte die Umgebung, eigentlich war es hier richtig schön. Eine kleine Fußgängerbrücke spannte sich über die beiden Gleise der S-Bahn. Links und rechts gesäumt von einigen Laubbäumen und einem weißen Einfamilienhaus. Darüber lachte ein blauer Himmel mit den Möwen um die Wette. Möwen, tatsächlich, ich war am Meer. Sofort fühlte ich die Vorfreude in meinen Adern und setzte mich in Bewegung. Google Maps führte zielsicher am Ufer entlang. Auch, wenn die Bäume den Blick auf die See versperrten, konnte ich sie so deutlich fühlen. Innerhalb von 20 Minuten kam das Hafengelände in Sicht. Zwei große Schilder verwiesen auf das AFZ Ausbildungszentrum und die Anlegestelle der Severa Wohnschiffe.
Die Kajüte im Bauch des Schiffes war klein, sehr klein. Die Ausstattung pragmatisch, ein schmales Doppelstockbett, ein Tisch, zwei Stühle, darüber ein Brett an der Wand als Regal und eine Nasszelle. Alles da, was man zum Leben brauchte. Ohne lange nachzudenken entschied ich mich für das obere der zwei Betten. Sollte meine Mitbewohnerin etwas kleiner sein, war sie sicher froh, wenn sie nicht jeden Abend klettern müsste. Trotz der guten Vorsätze, in der Messe gleich sozialen Anschluss zu finden, siegte die Müdigkeit und entließ mich erst wieder, als die Tür geöffnet wurde und Maria in unsere 6qm einzog. Ich lernte schnell ihre Gesellschaft zu schätzen. Die Lateinamerikanerin wird als Sängerin auf die MS Albadros aufsteigen, also wenn ihr eine Reise mit dieser plant, grüßt die junge, charmante Frau mit der grandiosen Stimme von mir.

Unsere Ausbildung begann am nächsten Morgen 8Uhr. In einem dieser typischen Kurs-Klassenzimmer. Alle Tische in einem großen U. Die Wände gesäumt von Plänen, Plakaten und einigen Gerätschaften, deren Bedeutungen mir absolut schleierhaft waren. Der Grund warum da Kaffee neben Mandarinen, Äpfeln und Schokoladenriegeln stand, lag dagegen vollkommen auf der Hand. Der Kurs war 15 Personen stark und zu meiner großen Überraschung komplett auf Englisch. Wenn man weiß das es eine Prüfung am Ende der Woche geben wird, ist dieser Umstand schon etwas beängstigend. Mein Englisch ist nicht schlecht, aber da gibt es auch noch deutlich Luft nach oben. Eine weitere Chance, die man mit dem Meer ergreift.
Der Aufbau unserer Tage war an sich immer gleich: Am Vormittag gab es die Theorie und nach der Mittagspause ging es zum spaßigen Part über. Nicht, dass die Theorie langweilig gewesen wäre. Einerseits waren die meisten Themen dafür einfach viel zu spannend, andererseits hatten wir einen ziemlich interessanten Lehrer: Thilo, ein schlanker, junger Mann mit der richtigen Mischung aus Humor, Durchsetzungsvermögen und Arroganz. Mit einer extra Priese Disziplin wäre er wohl einer der besten Lehrer gewesen, die ich je kennen gelernt habe. Der Montag war dem „fire extinguisher“, „fire prevention“ und „fire fight“ gewidmet. Ein wichtiges Thema. Feuer wird von den meisten Seeleuten mehr gefürchtet als Sturm, Nebel oder Untiefen.
Wo will man auch hin, wenn der sicherste Ort im Umkreis von mehreren Kilometern einfach unter einem weg fackelt. Dabei kommen kleine Brände auf Schiffen andauernd vor. Und genau da kommen wir als Crew ins Spiel. Das Training soll uns auf den Ernstfall vorbereiten. Wie benutze ich einen Feuerlöscher oder Feuerwehrschlauch? Wie handhabe ich eine Löschdecke? Welcher Stoff kann womit gelöscht werden? Habt ihr schon mal einen Fettbrand gesehen in den 100ml Wasser gegossen wurden? Die Stichflamme ist gigantisch. Wenn ihr irgendwann auf ein Schiff geht oder in einem Hotel übernachtet, selbst wenn ihr in einem Mehrfamilienhaus wohnt, schaut euch einfach mal an, wo ein Feuerlöscher hängt und was es für Fluchtpläne gibt. Im Ernstfall hat man dafür dann keine Zeit mehr.
So ernst das Thema auch ist, die Praxis hat trotz 4°C und Regen richtig Spaß gemacht. Und da wir eh schon nass waren war dann auch die Dusche mit dem Feuerwehrschlauch fast egal...