
Mein Kopf tat weh, die Deutsche Bahn
hatte auf den rund 500km mal wieder ganze Arbeit geleistet. Müde strich ich mir
das verschwitzte Haar aus der Stirn und suchte nach Orientierung. Wo war jetzt
dieses Zentrum? Ungeduldig wartete ich auf den vertrauten blauen Punkt meines
GPS Signals und scannte die Umgebung, eigentlich war es hier richtig schön.
Eine kleine Fußgängerbrücke spannte sich über die beiden Gleise der S-Bahn.
Links und rechts gesäumt von einigen Laubbäumen und einem weißen Einfamilienhaus.
Darüber lachte ein blauer Himmel mit den Möwen um die Wette. Möwen,
tatsächlich, ich war am Meer. Sofort fühlte ich die Vorfreude in meinen Adern
und setzte mich in Bewegung. Google Maps führte zielsicher am Ufer entlang.
Auch, wenn die Bäume den Blick auf die See versperrten, konnte ich sie so
deutlich fühlen. Innerhalb von 20 Minuten kam das Hafengelände in Sicht. Zwei
große Schilder verwiesen auf das AFZ Ausbildungszentrum und die Anlegestelle
der Severa Wohnschiffe.
Die Kajüte im Bauch des Schiffes war
klein, sehr klein. Die Ausstattung pragmatisch, ein schmales Doppelstockbett,
ein Tisch, zwei Stühle, darüber ein Brett an der Wand als Regal und eine
Nasszelle. Alles da, was man zum Leben brauchte. Ohne lange nachzudenken
entschied ich mich für das obere der zwei Betten. Sollte meine Mitbewohnerin
etwas kleiner sein, war sie sicher froh, wenn sie nicht jeden Abend klettern
müsste. Trotz der guten Vorsätze, in der Messe gleich sozialen Anschluss zu
finden, siegte die Müdigkeit und entließ mich erst wieder, als die Tür geöffnet
wurde und Maria in unsere 6qm einzog. Ich lernte schnell ihre Gesellschaft zu
schätzen. Die Lateinamerikanerin wird als Sängerin auf die MS Albadros
aufsteigen, also wenn ihr eine Reise mit dieser plant, grüßt die junge, charmante
Frau mit der grandiosen Stimme von mir.
Unsere Ausbildung begann am nächsten
Morgen 8Uhr. In einem dieser typischen Kurs-Klassenzimmer. Alle Tische in einem
großen U. Die Wände gesäumt von Plänen, Plakaten und einigen Gerätschaften, deren Bedeutungen mir absolut schleierhaft
waren. Der Grund warum da Kaffee neben Mandarinen, Äpfeln und
Schokoladenriegeln stand, lag dagegen vollkommen auf der Hand. Der Kurs war 15
Personen stark und zu meiner großen Überraschung komplett auf Englisch. Wenn
man weiß das es eine Prüfung am Ende der Woche geben wird, ist dieser Umstand
schon etwas beängstigend. Mein Englisch ist nicht schlecht, aber da gibt es
auch noch deutlich Luft nach oben. Eine weitere Chance, die man mit dem Meer
ergreift.

Der Aufbau unserer Tage war an sich immer gleich: Am Vormittag gab es die Theorie
und nach der Mittagspause ging es zum spaßigen Part über. Nicht, dass die
Theorie langweilig gewesen wäre. Einerseits waren die meisten Themen dafür
einfach viel zu spannend, andererseits hatten wir einen ziemlich interessanten
Lehrer: Thilo, ein schlanker, junger Mann mit der richtigen Mischung aus Humor,
Durchsetzungsvermögen und Arroganz. Mit einer extra Priese Disziplin wäre er
wohl einer der besten Lehrer gewesen, die ich je kennen gelernt habe. Der
Montag war dem „fire extinguisher“, „fire prevention“ und „fire fight“
gewidmet. Ein wichtiges Thema. Feuer wird von den meisten Seeleuten mehr
gefürchtet als Sturm, Nebel oder Untiefen.

Wo will man auch hin, wenn der
sicherste Ort im Umkreis von mehreren Kilometern einfach unter einem weg
fackelt. Dabei kommen kleine Brände auf Schiffen andauernd vor. Und genau da
kommen wir als Crew ins Spiel. Das Training soll uns auf den Ernstfall
vorbereiten. Wie benutze ich einen Feuerlöscher oder Feuerwehrschlauch? Wie
handhabe ich eine Löschdecke? Welcher Stoff kann womit gelöscht werden? Habt
ihr schon mal einen Fettbrand gesehen in den 100ml Wasser gegossen wurden? Die
Stichflamme ist gigantisch. Wenn ihr irgendwann auf ein Schiff geht oder in
einem Hotel übernachtet, selbst wenn ihr in einem Mehrfamilienhaus wohnt,
schaut euch einfach mal an, wo ein Feuerlöscher hängt und was es für
Fluchtpläne gibt. Im Ernstfall hat man dafür dann keine Zeit mehr.
So ernst das Thema auch ist, die
Praxis hat trotz 4°C und Regen richtig Spaß gemacht. Und da wir eh schon nass
waren war dann auch die Dusche mit dem Feuerwehrschlauch fast egal...